Digitale Kompetenzen von L&D-Professionals

Digitalisierung ist ein Thema, um das man heute in keinem Unternehmen mehr herumkommt. Aber muss man als L&D-Professional jeden Hype mitmachen? Oder ist die Digitalisierung für L&D-Professionals die große Chance, wieder mehr „ins Spiel“ zu kommen?

In der Corporate Learning Community Region Stuttgart hatten wir dieses Jahr das Thema „Digitalisierung“ mehrfach auf der Agenda (hier, hier und hier). Für mich war eine wichtige Erkenntnis, dass es sich in der Diskussion lohnt, zwischen den englischsprachigen Begriffen „Digitization„, „Digitalization“ und „Digital Transformation“ zu unterscheiden. Bei der „Digitization“ geht es um den Prozess des Übergangs von einer analogen zur einer digitalen Form. Beispiel ist die Umwandlung von Lerninhalten in ein digitales Format. Unter „Digitalization“ wird im Unternehmenskontext die Art und Weise verstanden, wie unterschiedliche Bereiche der Arbeit strukturiert werden. Es geht dabei insbesondere um den Einsatz von digitalen Technologien, um das Arbeits- und Geschäftsmodell zu verändern. Die Einführung kuratieren externen Lerninhalten als neues Lernformat wäre ein Beispiel für die „Digitalization“ im L&D-Bereich. Die „Digital Transformation“ dagegen erfordert einen übergreifenden organisatorischen Wandel in Verbindung mit Implementierung digitaler Technologien. Dabei geht es aus Sicht von L&D-Professionals (aber auch von anderen Rollen im Unternehmen) um den Umgang mit Veränderungen und den Anspruch, Veränderungen zu einer Kernkompetenz zu machen. Dazu gehört die Diskussion um die Realisierung von selbstorganisiertem Lernen genauso wie die Suche nach dem richtigen Mindset für die digitale Transformation. Die erste Herausforderung ist, zu klären, auf welche Ebene man als L&D-Professional sich mit dem Themen Digitalisierung und digitale Transformation beschäftigen möchte.

Wie positionieren sich L&D-Professionals zur Digitalisierung und digitalen Transformation?

Sabine Seufert, Josef Guggemos, Christoph Meier und Kai H. Helfritz vom scil haben gerade eine spannende Studie zum Umgang von L&D-Professionals mit der Digitalisierung und der digitalen Transformation als scil-Arbeitsbericht veröffentlicht. Die Studie „Digitale Kompetenzen von Personalentwicklern“ (die Studie ist kostenlos über den scil-Shop erhältlich) befasst sich nicht nur mit der digitale Reife, sondern auch den digitale Kompetenzen sowie den Augmentationsstrategien von L&D-Professionals.

Der Begriff „Augmentation“ geht zurück auf einen Artikel „Beyond Automation“ von Thomas H. Davenport und Julia Kirby im Harvard Business Review aus dem Jahr 2015. Digitalisierung und digitale Transformation wird dabei nicht als Automatisierungsstrategie zu Einsparung von Kosten und Arbeitskräften verstanden, sondern als Chance zur „Augmentation“, zur Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten gesehen. Dabei lassen sich fünf Augmentationsstrategien unterscheiden:

Schaubild: Die fünf Augmentationsstrategien (eigene Darstellung)

Für die Studie wurden im Zeitraum von Mai bis Juli 2018 225 Personalentwickler befragt. Ein interessantes Ergebnis ist, dass die Personalentwickler selbst als Augmentationsstrategie die „Step Aside“-Strategie favorisieren. In der Umsetzung der Strategie sollen dazu beispielsweise Mitarbeitende bei ihren Entwicklungsaktivitäten begleitet und beraten werden. „Lernbegleiter“ oder „Lerncoach“ wären passende Profile für diese Strategie. Auch die sehr aktive „Working-out-Loud“-Szene fokussiert sich auf diese Augmentationsstrategie. Sabine Seufert und Christoph Meier charakterisieren die „Step-Aside“-Strategie im Hinblick auf die Digitalisierung und die digitale Transformation als „Ausweichen und auf komplementäre Kompetenzen fokussieren“.

Andere Erwartungen an die Augmentationsstrategien haben Personen mit Leitungsfunktionen. Sie favorisieren die „Step Up“-Strategie (z.B. Beurteilung, wo und wie digitale Learning Ecosysteme nutzbringend eingesetzt werden können) sowie die „Step Forward“-Strategie (z.B. Beteiligung an der Weiterentwicklung von intelligenten Systemen).

Diese Ergebnisse zeigen für mich ein Spannungsfeld auf. Im Hinblick auf die digitalen Kompetenzen erwarten die Chefs in den L&D-Bereichen etwas anderes, als ihre direkten Mitarbeitenden scheinbar können und wollen.

Handlungsempfehlungen

Auf Basis der Ergebnisse ihrer Studie haben die Autoren sieben Handlungsempfehlungen im Hinblick auf Strategie, Kompetenzaufbau, beidhändiges Agieren, Impulse für Veränderung und Partnerschaften bzw. Netzwerke abgeleitet:

Quelle: Digitale Kompetenzen von Personalentwicklern (Uni St. Gallen, scil, DGFP)

Alles notwendige, aber auch sehr anspruchsvolle und zeitkritische Handlungsempfehlungen. In der Corporate Learning Community wollen wir dazu kontinuierlich einen Beitrag zur Kompetenzentwicklung leisten. Hier einige weiterführende Links:

    1. „Kompetenzentwicklung – von und für L&D Professionals“ – das ist das Thema des aktuellen Sprints der Corporate Learning Community im November 2018. Mehr dazu hier und hier.
    2. Die hat im April 2018 einen Workshop zu den „Schlüsselkompetenzen für zukunftsfähige Corporate Learning Professionals“ durchgeführt. Die Ergebnisse sind hier dokumentiert.
    3. Zur Diskussion: Die neue Rolle des Learning & Development, Blogbeitrag von Werner Sauter