ZP Reconnect: Erfahrungen bei meiner ersten Präsenzmesse nach Corona

Ja, der Veranstalter “spring Messe” war mutig. Die Kölner Messehalle 14 haben sie vom 14. – 16. September 2021 für die direkte persönliche Begegnung von Anbietern und Besuchern geöffnet. Und wenn man es nicht probiert, erfährt man den richtigen Zeitpunkt für den Neustart einer Präsenz-Messe ja nie. Also Hochachtung vor dem Mut! Und uns Veranstalter interessiert natürlich auch, wie denn das Publikum auf dieses Präsenzangebot reagiert. Sehr zurückhaltend, so mein Besuchseindruck am 15. und 16.9.2021 in Köln.

Bild: KhPape CC BY

Maskenpflicht und Abstandsregeln waren sichtbare Kennzeichen der noch nicht überwundenen Pandemie

Noch sichtbarer waren die großen Freiflächen in der Halle und die diesmal sparsamen Austellerstände (bis auf die Arbeitsagentur, die einen überragend großen Stand aufgebaut hatte). Die spring Messe hatte den Ausstellern wohl geraten, nicht zu viel Aufwand zu treiben und sich nur mit einem kleinen Stand zu präsentieren. Das noch nicht sehr viele Besucher kommen würden, war wohl absehbar. Bei den Ausstellern war also jederzeit Personal ansprechbar. Gefühlt waren genauso viele Besucher wie Standpersonal gekommen. Man hätte also jederzeit leicht ins Gespräch kommen können.

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Wie bei jeder Messe, gab es auch hier ein Vortragsprogramm, auf mehreren Bühnen gleichzeitig. Dort waren die Plätze relativ gut gefüllt. Stühle standen immer mit mindestens 2 m Abstand. Mit dem Nachbarn konnte man nicht reden, nur still zuhören. Die wenigen Besucher, die den Aufwand von Anreise und Übernachtung auf sich genommen haben, verwenden ihre Zeit überwiegend zum Konsumieren von Vorträgen auf der Messe. Die Anbieterstände waren weitgehend frei von Besuchern.

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Mich macht das nachdenklich: Kann man sich diese Vorträge nicht bequemer online anschauen? Zumal die Spring Messe viele Vorträge live gestreamt hat – und die Online-Messe auch mit weiteren Programpunkten noch bis zum 23. September weitergeht. Nach den Vorträgen, die ich erlebt habe, gab es auch wie üblich nur ganz wenig Interaktion. Man stand auf und ging – vermutlich zum nächsten Vortrag. Online wäre die Sichtbarkeit von Referent und Folien sogar besser, die Sprachverständlichkeit auch höher, ohne die akustische Störung durch den Parallel-Vortrag am anderen Ende der Halle. Trotzdem kommt man zum Vortrag hören her. Hmm.

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Spring-Messe sagt, in 2019 seien 20.000 Besucher und 700 Aussteller zur Zukunft Personal nach Köln gekommen. Jetzt kann das nur ein kleiner Bruchteil davon gewesen sein, der nach Köln gekommen ist. Christiane Negler von der spring Messe, berichtete bei der Pressekonferenz von 8500 Angemeldeten für Online- und die Präsenzmesse ZP Reconnect zusammen in diesem Jahr. Offenbar haben sich die allermeisten für das Online-Messeprogramm entschieden. Online läuft die Messe sogar vom 9. bis zum 23. September. Die Besucher hatten also die Wahl zwischen Online und Präsenz. Sie haben sich zum allergrößten Teil für Online entschieden!

2 Schlüsse kann man daraus ziehen

  • Die Vorträge, das Aufnehmen von Informationen zur fachlichen Orientierung und der persönlichen Entwicklung, werden von den Messebesuchern wichtiger erachtet, als die Gespräche mit Anbietern. Wenn das schon in der physischen Messe so deutlich erkennbar ist – die vielen Online-Besucher haben sich nur für die Vorträge entschieden.
    So eine Fachmesse wird also offenbar in erster Linie als wichtige persönliche Weiterbildung gesehen.
  • Online-Lernen ist inzwischen fest etabliert, und wird hier vom größten Teil der Besucher bevorzugt. Ja, auch Reisebeschränkungen der Unternehmen unterstützen hier die Online-Beteiligung. Ich vermute, auch ohne diese Einschränkungen werden mehr als 50% auch künftig das Online-Angebot wählen.
    Wenn man den Drang zu den Vorträgen und die sehr geringe Interaktion der Besucher auf der Messe betrachtet, dann hat das Online-Vortragserlebnis eigentlich nur Vorteile.

Messen als Lernevents?

Wenn Besucher ihre persönliche Entwicklung mit dem Messebesuch fördern wollen, dann sind Messen eigentlich Lernevents. Die bisherige Ausrichtung aller Messen ist aber eine andere. Messen sind als Verkaufsveranstaltungen konzipiert, zumindest die Geschäftsanbahnung ist das Ziel. Die massenhaften Messe-Vorträge (auf der ZP Reconnect gab es 370 Sessions auf 4 Bühnen in 3 Tagen!) sollen Besucher anlocken, die mit Anbietern in Kontakt kommen. Viele Vorträge werden ja auch von Anbietern gestaltet. Das Vermitteln von Wissen und das Lernen ist hier nur ein Randeffekt. Eigentlich geht es ums Verkaufen.

Messe neu denken

Dazu habe ich schon 2014 meine Gedanken formuliert. Wenn auch das Lernen der Besucher unterstützt werden soll, dann bietet die Expertise der anderen Besucher ein riesiges Potential. Die Masse der Besucher bringt so unglaublich viel Wissen und Erfahrung mit zur Messe (gilt auch für Online-Events), dass es doch gelingen müsste, das nutzbar zu machen. Wenn es bei Messen üblich würde, dass sich Besucher untereinander austauschen, dann würde das Lernen von den Kolleginnen und Kollegen enorm beschleunigt. Zusätzlich würden Netzwerke entstehen, die auch nach der Messe wirken.

Fachmesse L&Dpro auf dem Weg zu einem Lernevent

Einen schon zweiten Versuch dazu gibt es auf der L&Dpro am 30. September 2021 in München. In diese Fachmesse ist ein BarCamp integriert, das den Austausch unter den Besuchern anregen soll. Dieses BarCamp gestaltet die Corporate Learning Community. Noch ist das ein erster Schritt. Vielleicht schaffen wir es ja, dass bei künftigen Messen jeder Besucher seine mitgebrachten Fragen erstmal in einer BarCamp-Session mit anderen Besuchern diskutiert – bevor er sich von Anbietern beraten läßt.

Die Corporate Learning Community trifft sich auch auf der L&Dpro. (Für uns diesmal ohne „harte Tür“.)
Das hat Simon Dückert hier beschrieben.

Wenn Du mitmachen willst bei dem L&Dpro-Experiment: Melde Dich für eine Freikarte bei uns.