Reality Check: Wie geht man eine erfolgreiche Kompetenzentwicklung an?

Im letzten Eintrag zu meinem Lernjournal habe ich mir auf Basis der Studie „Fit für den digitalen Wandel“ vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) angeschaut, welche Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung im Umfeld des digitalen Wandels in den Unternehmen eingesetzt und wie diese von den Mitarbeitenden eingeschätzt werden.

Heute interessiert mich, ob es Unterschiede bei den Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung im Hinblick auf die Größe der Unternehmen gibt und ob man Unterschiede zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen erkennen kann.

Um zu sehen, ob es Unterschiede aufgrund der Unternehmensgröße gibt, habe ich erstmal alle Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung, die einen Mittelwert größer 2 haben herausgefiltert. Die genutzte Skala umfasst die von Werte 0 (wird gar nicht genutzt) bis 4 (wird unternehmensweit genutzt), der Wert 2 ist also der mittlere Wert. Im zweiten Schritt habe ich dann die Werte der „Top-Performer“-Gruppe genutzt. Die „Top-Performer“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie erfolgreicher als die Wettbewerber sind. Dazu wurden Performanz-Indikatoren wie Unternehmenswachstum, finanzieller Erfolg und Innovationserfolg erfragt.

Daraus ergab sich dann folgende Übersicht:


Abbildung: Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung bei den Top-Performern (Datenbasis IAO-Studie)

Man sieht schon optisch, dass sich der Schwerpunkte der Maßnahmen zwischen den verschiedenen Unternehmensgrößen verschieben. Je größer die Unternehmen sind, umso stärker spielen administrative Maßnahmen wie Beurteilungssysteme und Laufbahnmodelle eine Rolle. Und erst bei den Großunternehmen spielen digital gestützte Selbstlernprogramme eine Rolle. Diese Verschiebung hin zu einer stärkeren Formalisierung und Standardisierung hat viele Gründe, agiler wird ein Unternehmen dadurch sicher nicht.

Dass man auf diesem Weg nicht die Dynamik, die Schnelligkeit und die Agilität auf der Strecke bleiben muss, zeigt der Lösungsansatz einer dualen Organisation von John Kotter:

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Video-Link: https://youtu.be/H1XeZEFk_0E

Möglicherweise finde ich in den Daten der Studie Hinweise auf Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung, die einen agilen Ansatz unterstützen. Ich bleibe dazu mal bei der Gruppe der Großunternehmen und filtere die Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung heraus, die sich um mindestens einen halben Skalenpunkt zwischen den Top-Performern und der Rest-Population unterschiedet. Als Ergebnis bekomme ich mit etwas Unterstützung von Excel diese Darstellung:

Den größten Unterschied zu den Top-Performern findet man bei der fachübergreifende Kompetenzentwicklung im Unternehmen (0,82 Punkte). Dazu werden Maßnahmen wie Jobrotation und Training entlang der Prozeßkette eingeordnet. Das ist ein starker Hinweis auf die Bedeutung des informellen Lernens im Arbeitsalltag durch Herausforderungen und praktische Erfahrungen.

Learning Networks mit Kunden kommen bei den Unterschieden, was Top-Performer anders machen, auf den zweiten Platz (0,79 Punkte). Das Lernen macht also nicht an den Grenzen des Unternehmens halt. In der Merck-Woche gab es dazu einen Ansatz, der noch weiterging. Für bestimmte thematisches Veranstaltungen im Innovation Center können interessierte Externe dazukommen.

Train-the-Trainer-Seminare schaffen es auf den dritten Platz (0,68 Punkte). Wenn man sich gedanklich vom klassischen Ansatz löst und aufgreift, dass jeder im Unternehmen sowohl Lerner als auch Lehrer sein kann, dann gab es dazu viel Input von Harald Schirmer in der Continental-Woche: GUIDE-Netzwerk, Buddy Konzept, CoachNet. Aber auch Ansätze wie Community Management und Reverse Mentoring gehören dazu.

Fachspezifische Seminare kommen auf dem vierten Platz (0,58 Punkte). Wer könnte so etwas besser machen als kompetente Kollegen im eigenen Unternehmen. Experten-Netzwerke und Peer-to-Peer-Lernen sind dazu gute Lösungsansätze.

Und wie ist es mit der Maßnahme Kompetenzprofil/Kompetenzpass (0,54 Punkte)? Know-How-Datenbanken haben sich im Wissensmanagement in der Umsetzung als schwierig erwiesen. Heute hat man im Rahmen von Enterprise Social Networks ganz andere Möglichkeiten, seine eigenen Kompetenzen darzustellen, aber auch von Kollegen als kompetenter Ansprechpartner für ein bestimmtes Thema ausgezeichnet zu werden.

Die prozessbegleitende Projektauswertung mit Kunden (0,54 Punkte) erfordert, dass der Projektfortschritt für alle immer transparent ist sich die Beteiligten regelmäßig abstimmen. Das gehört zur DNA vieler Methoden zum agilen Arbeiten.

Lernen im Tandem / kollegialer Austausch macht einen Unterschied (0,53 Punkte), das wird nicht nur die Promotoren von Working Out Loud hier im MOOC sicher freuen.

Und dann schafft es noch Social Media, Inter-/Intranet, Learning Networks auf die Liste (0,51 Punkte). Damit sind wir bei Themen wie Social Learning, Twitter als Lernwerkzeug, Corporate MOOCs oder der möglichen Rolle von Enterprise Social Networks (hier ein Link zur Diskussion im MOOC) angekommen.

Ich versuche mal ein Fazit: je größer ein Unternehmen wird, desto stärker zeigt sich die Notwendigkeit zu einer Formalisierung und Standardisierung, auch im Bildungsbereich eines Unternehmen. Der digitale Wandel zeigt zunehmend die Grenzen dieser Entwicklung auf. Digitale Innovationswerkstätten, autonome Startup-ähnliche Einheiten usw. sollen helfen, diese Grenzen zu überwinden. Als Alternative dazu kann man sich überlegen, ob nicht der Ansatz der dualen Organisation, der eine auf Effizienz ausgerichtete Organisation mit der Agilität von jungen Unternehmen verbindet, die notwendigen Impulse gibt. Schaut man sich die Lösungsansätze der Top-Performer bei den Großunternehmen unter einer solchen Perspektive an, dann haben wir hier im MOOC schon eine Menge an tragfähigen Ansätzen kennengelernt.