„Lasst es lieber, euch fehlt jegliches Vorbereitungs-Training“ fällt mir dazu spontan ein. Wobei wir gleich bei einer Kernaufgabe von HR wären, dem Entwickeln von Menschen für künftige Aufgaben. Bisher habt Ihr das immer so gelöst: Einer, der (hoffentlich) schon da war, erklärt den anderen, wo es lang geht, und welche Schwierigkeiten dorthin wie überwunden werden können.
Auf dem Mars war aber noch keiner. Niemand kennt den Weg und die Herausforderungen wirklich. Vormachen oder Vorgeben geht nicht mehr. Trotzdem: Ihr seid verantwortlich für die richtige und eine gut vorbereitete Mannschaft. Und selber wollt Ihr ja eigentlich auch auf die große Reise in die Zukunft mitgenommen werden. Auch die eigene Vorbereitung ist dringend notwendig. Es gibt so viel zu tun, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Aber auch das Wie ist völlig unklar: Wie bereiten wir uns selbst auf völlig ungewisse künftige Herausforderungen vor? Und wie erst unsere Mitarbeiter? Eigentlich können wir die Mitarbeiterentwicklung erst planen, wenn wir die Reise zum Mars schon mal gemacht haben, werdet ihr sagen. Aber ohne die Mitarbeiter kommt ja auch ihr nicht dorthin.
Planen geht nicht
Mitarbeiterentwicklung planen und nach bewährtem Muster umsetzen geht also nicht. Eigentlich ist das eine gute Voraussetzung für ein komplettes Neu-Denken von Entwicklungsprozessen. Die ewigen „Besserwisser“ werden leiser, weil auch sie nicht wissen, was jetzt zu tun ist. Wenn Einzelne nicht vorgeben können, was jeweils zu tun ist, vielleicht kann man es ganzen Teams überlassen – die sich im großen Team transparent abstimmen? Und wenn man die Reise nicht vorher trainieren kann, warum sollte die Mannschaft nicht während des Fluges noch nötige Kompetenzen entwickeln? Das kennen wir doch auch jetzt schon: 90% des betrieblichen Lernens ist informelles, selbstgesteuertes Lernen – während der Arbeit. Ich höre schon den Aufschrei „Aber das kann lebensgefährlich sein“. Ja, eine Reise in eine ungewisse Zukunft birgt immer auch große Risiken. Nicht zu reisen, kann aber ebenso lebensgefährlich sein.
Zutrauen
Vertrauen in Teams, Zutrauen für Mitarbeiter, in jeder Situation das aus ihrer Sicht Richtige zu tun – und aus Fehlern gemeinsam zu lernen – das wäre so ein Neu-Denken von Entwicklungsprozessen. Das erfordert eine andere innere Haltung von Personalentwicklern: Nicht „Ich weiß was Du jetzt brauchst“, sondern „Du wirst selbst alles finden, was Du benötigst, um Deine Herausforderung zu bewältigen. Falls Du Hilfe brauchst, finden wir die richtige Unterstützung“. Letztere Haltung ist mit „gleicher Augenhöhe“ gut gekennzeichnet. Das rührt kräftig am Selbstverständnis vieler Personalentwickler, die gewohnt sind konkrete Maßnahmen für ganze Mitarbeitergruppen zu planen und umzusetzen. „Wie kann ich die Verantwortung für die Entwicklung von Mitarbeitern übernehmen, wenn die sich alles selber erarbeiten sollen?“ Mitarbeiter in ein Seminar zu schicken, war aus meiner Sicht auch immer nur eine sichtbare und nachweisbare Aktion, die mit neuem Verhalten am Arbeitsplatz wenig zu tun hatte. Lernen ist aus meiner Sicht immer ein selbstgesteuerter Vorgang, der nicht wirklich von außen angeleitet werden kann.
Aus meiner Sicht geht es künftig mehr darum, Rahmenbedingungen fürs Lernen in Organisationen zu schaffen. Das fängt an bei der Zeit, die für Lernen ganz selbstverständlich jedem bereitgestellt wird (z.B. Viessmann: 2 Stunden frei verfügbare Lernzeit je Mitarbeiter je Woche), geht über zusammengestelltes Lernmaterial, das häufig nachgefragt wird, über das Anregen von Fach-Communitys bis zum persönlichem Entwicklungs-Coaching – um nur einige Beispiele zu nennen.
Bei sich selbst anfangen
Das selbständige Lernen ist uns zwar angeboren, wurde uns in den Bildungseinrichtungen, und auch oft in der betrieblichen Weiterbildung, abtrainiert. Um das wieder zu kultivieren, braucht es Vorbilder. Wer, wenn nicht die Personalentwickler selber, sollten diese Vorbilder sein? Wir können diese Lernkultur-Veränderung nur glaubwürdig anregen, wenn wir das selber vorleben. Und im Übrigen bleibt uns ja auch gar nichts anderes übrig auf der Reise zum Mars – oder? Dann geht es auch ohne Vorbereitungstraining.
Karlheinz Pape
P.S.: In der Corporate Learning Community üben sich inzwischen tausende Personalentwickler im selbstgesteuerten voneinander Lernen. Nur wer erlebt hat, was diese „Lernformen ohne Lehrende“ mit einem machen, kann das glaubwürdig in sein Unternehmen tragen.