65 Mitglieder der Corporate Learning Community haben das in der letzten Woche ausprobiert. Gemeinsam Machen statt lange Erklären war die Anweisung für alle 28 Sessions des Corporate Learning Practice Camps #CLPC23.
Das Ideal wurde wohl noch in keiner Session beim gerade vergangenen Corporate Learning Practice Camp so richtig erreicht. Das ist ja auch sehr ungewöhnlich – für die Sessiongebenden, wie auch für die Teilgebenden. So gab es Sessions, in denen die ganze Zeit (beim CLPC23 waren das jeweils 60 Minuten) gemeinsam ausprobiert wurde. Und auch Sessions, bei denen etwas länger erklärt wurde, was denn jetzt zu tun sei, um dann ins gemeinsame Arbeiten zu kommen.
Die Grundidee des Practice-Camps
Die üblicherweise vorangestellten Erklärungen liefern Antworten auf Fragen, die die Lernenden ja noch gar nicht haben. Wenn Lernende gleich mit der Aufgabenbearbeitung beginnen, dann entstehen Fragen, die sie sich untereinander beantworten, oder Antworten einholen, wenn sie sie gerade benötigen. Wie weit – und wo das funktioniert, wollten wir beim CLPC23 ausprobieren.
Das weitgehend selbstständige Aufgabenlösen der Lernenden hat noch einen zweiten Effekt: Dabei entsteht tatsächlich Kompetenz. Erst wer etwas schon mal erfolgreich gemacht hat, kann von Kompetenz sprechen.
Die Stolpersteine
Als Lehrende sind wir Learning Professionals gewohnt, erstmal umfassend zu erklären. Und Lernende genießen das konsumierende Zuhören mehr als das anstrengendere Tun bei gestellten Aufgaben. Da stellt man gern noch ein paar Verständnisfragen, weil dann ja weniger Zeit für den anstrengenderen Übungsteil übrig bleibt. Und natürlich beantworten wir Learning Professionals diese klugen Fragen auch gern der ganzen Gruppe. Da laufen ein paar erlernte Routinen vermutlich ganz unbewusst ab – auf beiden Seiten.
Eine mögliche Ausgestaltung
Die Grundhaltung “Diese Aufgabe werdet ihr sicher selber lösen können” müssten wir Learning Professionals mitbringen. Damit trauen wir den Lernenden die Lösung zu. Wir behandeln sie nicht wie unwissende Schüler. Aber wir haben die Aufgabe so gestellt, dass sie grundsätzlich lösbar sein müsste. Und wir stellen auf Anforderung alles zur Verfügung, was man zur selbständigen Lösung benötigt – von den Tools bis zum Expertenwissen.
In dem Modell ist eine Gruppe von Lernenden sogar sehr hilfreich. Man kann sich untereinander unterstützen, man lernt gemeinsam. Und im Idealfall erfordert dieses Vorgehen auch gar keine zusätzlichen theoretischen Erklärungen mehr.
Es wird Lernfelder geben, wo die vorangestellte Erklärung doch der bessere Weg ist. Wo das mit dem Selbsterarbeiten gut funktioniert, müssen wir ausprobieren. Und dabei unsere erklärende Rolle verlassen. Das scheint mir nach den Erfahrungen beim CLPC23 ein große Hürde zu sein – das gilt auch für mich!
Das CLPC23 war ein Start
Wer dabei war, hat die Faszination gespürt, die diese Form des selbstgesteuerten gemeinsamen Lernens ausmacht. Eine Teilgebende sagte, sie wolle jetzt nur noch in solche Sessions gehen, in der sie selbst handeln kann. Es macht einen Unterschied, ob man gehört und gesehen hat, wie man etwas macht, oder ob man mit der Erfahrung rausgeht, etwas selbst gelöst zu haben. Erst dann ist es ja ein Kompetenz-Erlebnis.
Generell gibt es aber noch viel zu erkunden, bei diesem Practice-First-Ansatz. Wir haben beim CLPC23 ein 60-Minuten-Raster vorgegeben. Vielleicht sind ja 90 oder gar 120 Minuten besser? Wie gut sollten Aufgaben vorbereitet sein? Soll es eine kurze Einführung geben, oder läßt sich die Praxis auch anders starten? Bei welchen Themen ist die Erklärung zunächst doch besser? …
Wie es weitergehen könnte
- 65 Teilgebende könnten jetzt mutig beginnen, ihre eigenen Seminare so umzustellen
- Community-Mitglieder könnten über ihre Erfahrungen damit berichten
- Regionale Corporate Learning Communities könnten ihre Treffen so umstellen, das gemeinsames erarbeitendes Lernen stattfindet
- Ein nächstes Corporate Learning Practice Camp könnte weitere Teilgebende überzeugen
- Wir könnten auf die Suche gehen, wer den schon so einen Practice-First-Ansatz umsetzt
- …
Wir freuen uns, wenn sich die Practice-First-Idee weiter verbreitet. Lass uns wissen, wenn Du davon erfährst!