Warum ist Corporate Learning selbstorganisiertes Lernen?

Die Studie #Zukunftsarbeit, die Beiträge von 20 Fraunhofer Instituten integriert, zeigt deutlich auf, wie die Zukunft der Arbeit und damit auch des betrieblichen Lernens sich voraussichtlich entwickeln wird. Die Lernumgebungen werden danach ein Spiegelbild der Arbeitsumgebungen sein, da die geforderte Kompetenzentwicklung nur in realen Herausforderungen möglich ist. Sie erfolgt deshalb immer mehr selbstorganisiert unter dem Aspekt der Mitgestaltung, der Selbstverwirklichung und des Wohlbefindens, die die Arbeitsumgebungen prägen werden.

Für Unternehmen wird die permanente und in die Arbeit eingebettete Entwicklung ihrer Mitarbeitenden zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Hierfür bedarf es neuer Ansätze und digitaler Werkzeuge, um neue Kompetenzanforderungen frühzeitig zu erkennen und benötigte Kompetenzen schnell aufzubauen.  

Aus unserer Erfahrung ergeben sich für die Entwicklung das Corporate Learning vor allem folgende Merkmale:

  • Bildungsziele sind die Fähigkeiten zum selbstorganisierten, kreativen Handeln, also Kompetenzen, zur eigenverantwortlichen Bewältigung von Herausforderungen in der zukünftigen Praxis, die immer mehr durch die digitale Transformation geprägt wird. Wissensaufbau und Qualifizierung sind nicht mehr das Ziel der Bildung, sondern notwendige Voraussetzung einer gezielten Werte- und Kompetenzentwicklung. Werte ermöglichen als Ordner selbstorganisiertes Handeln.
  • Berufliches und betriebliches Lernen ist deshalb zukünftig vor allem selbstorganisierte Werte- und Kompetenzentwicklung und findet fraglos in und mit dem Netz statt – Das Netz ist einer der wichtigsten sozialen Räume künftiger Werte- und Kompetenzentwicklung.
  • Eine gezielte Werte- und Kompetenzentwicklung in Eigenverantwortung der Mitarbeiter erfordert professionelle Instrumente zur Werte- und Kompetenzerfassung.
  • Die didaktische Gestaltung des Lernens, weg von einer Belehrungsdidaktik hin zu einer Ermöglichungsdidaktik, die selbstorganisiertes Lernen in ermöglicht, gewinnt mehr und mehr Vorrang.
  • Die Bewertung von Lernleistungen fordert nicht mehr viel zu wissen, sondern Wissen zur Lösung von Herausforderungen methodisch sinnvoll nutzen zu können.

Wie kann selbstorganisiertes Lernen ermöglicht werden?

„Handeln kann man nur handelnd erlernen“

Wahl, D. 2013

Die Herausforderung in der Konzipierung werte- und kompetenzorientierter Lern-Arrangements besteht darin, den Mitarbeitern einen Ermöglichungsraum zu bieten, damit sie ihre Werte und Kompetenzen selbstorganisiert, in einem kommunikativen Prozess mit Lernpartnern (Co-Coaching), Lernbegleitern (Coaching) und ihren Führungskräften (Mentoren) gezielt aufzubauen können. Dabei gehört es zum notwendigen Design eines Entwicklungsprozesses, dass verschiedene Formen des kollaborativen Lernens ermöglicht werden.

Selbstorganisation ist in einem System immer dann notwendig, wenn es sich, wie unsere Unternehmen, laufend und schnell ändert. Auch selbstorganisierte Prozesse können jedoch grundlegend geregelt werden, indem beispielsweise ein Lernrahmen geschaffen wird. Dies erfordert jedoch keinen Ausbau traditioneller Bildungseinrichtungen oder gar die Gründung neuer Akademien. Vielmehr werden neue Lernkulturen benötigt, in denen vielfältige Formen des selbstorganisierten Lernens möglich sind.

Da die Kompetenzentwicklung nur selbstorganisiert durch die Lerner erfolgen kann, benötigen wir eine „Ermöglichungsdidaktik“, wie sie von Rolf Arnold beschrieben wurde. In dieser Lernkultur, die durch einen hohen Grad an Eigenverantwortung gekennzeichnet ist, bietet es sich wiederum an, auch den Wissensaufbau in die Selbstorganisation der Lerner und ihres Lern-Netzwerks zu legen. Damit gewinnen neue Medien und Social Software, aber auch Soziale Lernplattformen, an Bedeutung. Dieser netzbasierte „Ermöglichungsraum“ dient als Arbeits- und Lernraum, dessen Bereiche immer mehr zusammen wachsen.

Grundsätzlich können hierbei zwei Ausprägungsstufen des eigenverantwortlichen Lernens unterschieden werden:

  • Selbstgesteuertes Lernen: Innerhalb eines fremdgesteuerten Lernweges zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, der z.B. mittel E-Learning definiert ist, können die Lerner selbst festlegen, wann, wo, wie lange, wie oft, mit wem, mit welchem Lerntempo, mit welcher Lernmethode und in welcher Reihenfolge sie lernen möchten. Die Lernziele und –inhalte sind, z.B. durch ein Curriculum, vorgegeben und werden häufig mit einem Test überprüft. Häufig werden die Lerner durch einen E-Tutor begleitet. Damit kann selbstgesteuertes Lernen ein erster Schritt zur Selbstorganisation im Lernen sein, wenn die Mitarbeiter bisher fremdgesteuerte „Lehr“formen gewohnt sind.
  • Selbstorganisiertes Lernen: Die Lerner definieren ihre individuellen Lernziele selbst und planen ihre Lernprozesse nach ihren Bedürfnissen, die sich aus dem Prozess der Arbeit oder in Praxisprojekten ergeben. Dabei nutzen sie die aktiv die Möglichkeiten, die ihnen innerhalb eines unternehmensinternen Ermöglichungsrahmens zur Verfügung gestellt werden, insbesondere Systeme zur Werte- und Kompetenzerfassung. Die Ziele und Inhalte ihrer Lernprozesse leiten sich jeweils aus den Herausforderungen in der Praxis oder in Projekten ab und sind damit Werte- und Kompetenzziele. Der Aufbau von Wissen und von Qualifikationen erfolgt bei Bedarf („on demand“) mit Hilfe der Lernmöglichkeiten im Ermöglichungsrahmen.

Erfolgreiches selbstorganisiertes Lernen in Kompetenzentwicklungsprozessen ist möglich, wenn die Lerner folgenden Kreislauf erfahren:

Der Lernerfolg wird nicht mehr mit Tests u. ä. im Sinne des „Bulimielernens“ überprüft, sondern anhan der Performanz, der konkreten Ergebnisse im Arbeitsprozess oder in der Projektbearbeitung.

Natürlich können unsere Mitarbeiter selbstorganisiert lernen, sonst wären sie in den Unternehmen fehl am Platz. Schließlich erwartet man heute im Arbeitsleben nahezu ohne Ausnahme von ihnen, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen der Zielvereinbarungen selbstorganisiert lösen. Deshalb wirkt eine Lernkultur der Fremdsteuerung kontraproduktiv.

Damit der Übergang zu selbstorganisierten Lernsystemen die Mitarbeiter, aber auch die Bildungsplaner und heutigen Trainer, nicht überfordert, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen. Deshalb empfehlen wir im ersten Schritt, einen fremdgesteuerten Lernrahmen mit Empfehlungen oder Vorgaben für die individuelle Lernplanung sowie mit didaktisch-methodisch aufbereiteten Inhalten und Kommunikationsinstrumenten zur Verfügung zu stellen. Innerhalb dieses Lernrahmens kann der Mitarbeiter seine Lernprozesse aber selbst steuern. Dabei wird er von seinem Lernpartner und einem Lernbegleiter unterstützt.

Bewährt haben sich hierbei Kombinationen aus Blended Learning für den selbstgesteuerten Wissensaufbau und die Qualifikation mit selbstorganisiertem praxis-/projektorientiertem Lernen, so dass die Mitarbeiter in einem fremdorganisierten Blended Learning Rahmen schrittweise in die Freiheit der Selbststeuerung und der Selbstorganisation entlassen werden. Damit wandert das Lernen immer mehr an den Arbeitsplatz, die Lernverantwortung geht schrittweise auf den Mitarbeiter über.

Ergänzt werden die individuellen Lernaktivitäten durch einen kontinuierlichen Austausch im Rahmen von Communities of Practice, in denen die Mitarbeiter selbstorganisiert ihre Erfahrungen aus den Projekten und aus ihrer Praxis austauschen und gemeinsam weiter entwickeln.

Die Gestaltung und Einführung zukunftsorientierter Lernkonzeptionen ist also kein technisches Problem, sondern eine didaktisch-methodische Herausforderung, die mit dem bewährten Ansatz des Social Blended Learning mit einem laufenden Veränderungsprozess bewältigt werden kann.