Es ist Zeit, neu über Wissen und Lernen in Organisationen zu denken und zu sprechen – CLC-Version

Diese Woche habe ich ein internes Barcamp zum Thema Wissensmanagement moderiert, das mir in gewisser Weise die Augen geöffnet hat. Viele Teilnehmer haben für sich die Formel „Wissensmanagement = Informationsmanagement“ abgespeichert. Im schlimmsten Fall versteht man darunter Wissensdatenbanken, im besten Fall die Dokumentation von explizitem Wissen in Wikis. Viele haben mir hinterher gesagt, dass für sie die Idee einer Lernenden Organisation neu war. Auch, dass es bei Wissensmanagement um das individuelle Lernen und die Wissenskommunikation in Form von Communities of Practice, Barcamps und Working Out Loud geht. Wenn ich so die letzten Jahre zurück denke, wird mir klar, dass das kein Einzelfall war, sondern in vielen Unternehmen und Organisationen so gesehen wird.

Status quo im Corporate Learning

Im Corporate Learning geht es uns da ganz ähnlich. In den Köpfen vieler poppt bei „Lernen“ sofort „Schule“ auf. Man sitzt in frontalen Reihen, ein Lehrer (bzw. Trainer) betet Powerpoints herunter und hofft auf den Effekt des Nürnberger Trichters. Viele halten sich schon für modern, wenn solche Ansätze aus dem analogen per E-Learning digitalisiert wird. Der Prozess ist aber nach wie vor Nürnberger Trichter. Und dass ein digitalisierter Scheiß-Prozess ein scheiß digitaler Prozess ist, wissen wir seit Thorsten Dirks. Ganz selten trifft man auf Personen, die ein modernes E-Learning-Verständnis ähnlich dem von Michael Kerres, nämlich auch der Unterstützung der „zwischenmenschlichen Kommunikation“ als Lernprozess haben. Mit hochtrabenden Phrasen wie „Agile Kompetenzentwicklung“, „Disruptive Learning“, „Digitale Lernbegleiter“ und ähnlichem wird versucht, die vorhandene Hilflosigkeit im eigenen Biotop zu überspielen, wirklich neue Wege des Lernens zu beschreiten. Dabei haben wir doch eigentlich mit unserer Corporate Learning Vision 2025, dem intellektuellen Potential unserer regionalen Communities und dem CLC Upskilling Team noch ganz andere Potentiale.

DAS KANN DOCH NICHT SO BLEIBEN, oder?

Auf dem Rückweg vom Enterprise 2.0 Summit 2013 in Paris habe ich einen Audioboom mit dem Titel Wissensmanagement als Brückenbauer aufgenommen. Auf dem Summit sollten wir in einem Lego Serious Play Workshop bauen, was uns thematisch bewegt und umtreibt. Ich habe ein Männchen auf einer orangenen (was sonst? 🙂 ) Brücke gebaut, das die Verbindung zwischen verschiedenfarbigen Silos herstellt:

Diese farbigen Silos sollten die verschiedenen Disziplinen symbolisieren, die wir für einen zeitgemäßen Umgang mit Wissen und Lernen in Organisationen benötigen. Dazu gehören z.B. Informationsmanagement, Datenmanagement, Business Intelligence, Customer Relationship Management, Organisationsentwicklung, Training, Personalmanagment, Innovationsmanagement, Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Projektmanagement, Top Management und wahrscheinlich noch einige mehr. Zwischen diesen müssen wir eine Koalition – mit Kotters Worten eine „Guiding Coalition“ – formen, die gemeinsam die Vision hat, aus der Organisation eine Lernende Organisation zu entwickeln.

lernOS – Operating System for Lifelong Learning & Learning Organizations

Einen solchen Versuch wollen wir mit dem Ansatz „lernOS – Operating System for Lifelong Learning & Learning Organisations“ anpacken. Für die drei Ebenen Individuum, Team und Organisation wird es bei zum 21.12.2022 jeweils einen Leitfaden geben, der eine Vorgehensweise auf jeder Ebene vorschlägt (den für Individuen gibt es schon). Da wir nicht an eine One-Size-Fits-All-Lösung glauben, werden alle Leitfäden unter einer offenen Lizenz (Creative Commons Attribution, kurz CC BY) veröffentlich, damit sie jeder für sich selber anpassen kann und neue Ideen zurück in die Community fließen. Es handelt sich also um einen Open Educational Resource (OER) & Open Educational Practice (OEP) Ansatz. Außerdem gibt es mit der lernOS Toolbox weitere Leitfäden, die einem in Form von Learning Sprints ganz konkrete Tools und Methoden wie beispielsweise Expert Debriefing, Podcasting oder die Organisation von Barcamps nahe bringt.

Mein Appell an die Disziplinen-übergreifende Zusammenarbeit

Ich poste diesen Beitrag in den nächsten Tagen ganz bewusst in drei verschiedenen Communities: hier, in der Gesellschaft für Wissensmanagement und im Kontext des IOM Summits (Digitaler Arbeitsplatz). Die drei Gemeinschaften arbeiten bisher noch recht stark in ihren eigenen „Silos“, aber es gab in den letzten Jahren immer mehr „Grenzgänger“, die mit dem Bau von Brücken angefangen haben (danke dafür!). Daher glaube ich, dass es an der Zeit ist, das ein bisschen zu verstärken und nach gemeinsamen Ansatzpunkten und Lösungen zu suchen.

Eine Möglichkeit für den Disziplinen-übergreifenden Austausch ist das erste lernOS Rockstars Camp am 25.06.2019 im Herzen von München. Dort wollen wir nach der KnowTouch 2016 und KnowTouch 2018 versuchen, die verschiedenen Sichtweisen zusammenzubringen und vor allem eine gemeinsame Handlungsstrategie für die Zukunft zu entwicklen:

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=DfcIjgJekak

Das ist aber natürlich bei weitem nicht der einzelne Anlass für Treffen und Kooperation. Ich freue mich auf viele Ideen, Gedanken, Feedback und vor allem Taten zu diesen Überlegungen. Keep Calm & Learn On!