Im Herbst häufen sich die Tagungen. So war ich zum HRM Forum Corporate Learning in Berlin eingeladen, das von Karlheinz Pape wieder souverän moderiert wurde.
(Zu?) viele Vorträge, aber auch Diskussionen und Erfahrungsaustausch in kleinerem Rahmen prägten die Veranstaltung. Was mich besonders nachdenklich gemacht hat, war der Eindruck in einer Reihe von Präsentationen, aber auch in den Frage- und Diskussionsrunden, dass tradierte Denkweisen im Corporate Learning auch in zukunftsorientierten Tagungen weiterhin dominieren. Es scheint unheimlich schwer zu sein, aus seinen Denkroutinen, die man jahrzehntelang verinnerlicht hat, auszubrechen.
Dazu gehört vor allem die Fiktion, dass eine zentrale Personalentwicklung, die sich ständig Gedanken darüber macht, welche Inhalte die Mitarbeiter lernen sollten, besser weiß, was diese benötigen, als die Mitarbeiter selbst. Wodurch wird diese Illusion eigentlich genährt?
Warum stehen in den vorgestellten Konzeptionen meist immer noch die Inhalte im Vordergrund und nicht die Ziele des Lernens? Zu diesem Bild passten die vielfältigen Fragen nach der Kontrolle und Überprüfung der individuellen Lernprozesse. In vielen Unternehmen dominiert offensichtlich immer noch das Bild des unselbständigen Mitarbeiters, den die Personalentwicklung an die Hand nehmen und ständig kontrollieren muss, damit er das „Richtige“ lernt. Zwangsläufig stellt sich damit die Frage, was ist das Ziel des Lernens in Unternehmen. Sollen die Mitarbeiter nachweisen, dass sie ein bestimmtes Wissen „vermittelt“ bekommen haben, oder sollen sie ihre Aufgaben im Prozess der Arbeit erfolgreich lösen? Die Antwort ist eigentlich sehr simpel.
Davon abweichend waren dagegen die Präsentationen von Hermann Ortmeyer, der am Freitag zusammen mit Claudia Bremer und Karlheinz Pape auch die Abschlussveranstaltung der MOOC Woche zur Miele & Cie. KG durchführte, sowie von Max Gissler von der Post CH AG. Beide zeigten Wege auf, wie betriebliche Bildung gestaltet werden kann, so dass die Mitarbeiter die vielfältigen Lernangebote nach ihrem individuellen Bedarf selbstorganisiert nutzen können. Der Lernerfolg wird anhand der Umsetzung in der Praxis durch die Mitarbeiter und Führungskräfte überprüft. Es ist also offensichtlich möglich, den Mitarbeitern die Verantwortung für ihre Lernprozesse zu übertragen. Schließlich tragen sie doch auch im Arbeitsprozess immer mehr die Verantwortung für den Erfolg.
In der Diskussion über die Frage, wie das Corporate Learning seine zukünftige Positionierung im Unternehmen finden kann, wurden folgende wesentliche Handlungsfelder identifiziert.
- Lernkultur
- Selbstorganisiertes Lernen
- Lernprozessbegleitung
- Zeit und Raum spielt keine Rolle mehr (Micro- und Mobile Learning)
- Persönlicher Entwicklungsplan
Damit wurde in beeindruckender Klarheit eine Blaupause für die Handlungsfelder des zukünftigen Corporate Learning formuliert, die eine radiale Abkehr von der bisherigen zentralistischen Lernorganisation bedeutet. Dass dabei auch erhebliche Widerstände zu überwinden sind, wurde ebenfalls deutlich. Als Hürden wurden insbesondere folgende Bereiche identifiziert:
- Keine Zeit
- Lernen hat keine Priorität bzw. keine Akzeptanz
- Mangelndes Verständnis
- Bestehende Lernkultur
- Fehlende Messbarkeit des Lernerfolgs
- Keine unmittelbare Verbindung von Lernen und Arbeit
- Komplexe Mitbestimmungsprozesse
- Infrastruktur
Lernen wird also häufig noch als etwas „Getrenntes“ gesehen, das außerhalb der Arbeit in gesonderten Lernräumen stattfindet. Deshalb muss am Anfang des Entwicklungsprozesses für betriebliche Lernkonzeptionen eine Verknüpfung von Unternehmensstrategie und Lernzielen stehen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass die Verantwortung für das Lernen von den Mitarbeitern selbst übernommen wird. Diese leiten ihre individuellen Kompetenzziele zukünftig aus den strategischen Anforderungen ab, die im regelmäßigen Perspektivgespräch mit der Führungskraft konkretisiert werden. Vereinbarungen zum Arbeits- und zum Lernprozess bilden immer mehr eine Einheit.
Auch in diesem Forum wurde eine große Unsicherheit über die Frage, wie die notwendigen Veränderungsprozesse gestaltet werden können, deutlich. Bei den klassischen Unternehmensberatungen ist diese Expertise nach den Erfahrungen der Teilnehmer wohl nicht zu finden.
Ein weiterer Ansporn für die Corporate Learning Allicance, Ihre Arbeit auch nach dem Corporate Learning 2.0 MOOC weiter zu führen.