Die Sprache ist ein Verräter

Foto Charlotte Venema

Zur Kooperation der CLC mit der Reporterfabrik

Bis Ende 2019 kann jedes aktive Mitglied der Corporate Learning Community auf alle Kurse der Journalistenschule „Reporterfabrik“ kostenlos zugreifen. Ihr findet dort vieles, was ihr unmittelbar nutzen könnt.

  • Mein digitaler Auftritt – wie werde ich im Netz sichtbar?
  • Werde Blogger, aber wie?
  • Gute Videos mit dem Smartphone
  • Fragetechniken der Profis
  • Gute Titel und Vorspänne schreiben
  • Fake News entdecken
  • Gegen Hass im Netz wehren
  • und viele andere ……….

Fast alles, was Journalisten nutzen, kann uns auch im Arbeitsalltag oder bei unseren persönlichen Aktivitäten im Netz helfen. Wir erhalten eher die Aufmerksamkeit für unsere Ideen, wenn wir das Handwerkszeug des Schreibens oder Sprechens beherrschen. Aber es geht nicht nur darum, ein paar Formate und Spielregeln zu kennen.

Klare Sprache, klares Denken!

Es fängt ganz einfach an. „Schreibregeln für gutes Deutsch I-III“ von Wolf Schneider war für mich ein unterhaltsames Lehrstück gegen schlampiges Schreiben und Denken. Sag so einfach und klar wie irgend möglich, worum es dir geht! Wenn etwas schon einhundertmal gesagt wurde, ist es vermutlich überflüssig. Sätze wie: „Die Beschäftigten eines Unternehmens sind dessen wichtigste Resource“ oder „Lernen wird in Zeiten des ständigen Wandels immer wichtiger“ sind langweilige Platzhalter und meist ein zuverlässiger Indikator dafür, das es danach auch nicht interessanter wird. Der Leser klickt sich weiter.

Sprache ist eine Waffe

Mit unserer Sprache transportieren wir unsere Einstellung zu den Themen, über die wir sprechen. „Wie man mit Sprache Politik macht“ von Elisabeth Wehling erklärt mit dem Modell der ‚Frames‘, warum es keine neutrale Sprache gibt. „Sprache ist eine Waffe“ schrieb Kurt Tucholsky. Sprache erschafft die Wirklichkeit, in der wir leben. Wer von „Flüchtlingsflut“ redet, löst Bilder einer bedrohlichen Welle aus, vor der man sich mit Dämmen schützen muss. Wer von Bürgerkriegsflüchtlingen oder Vertriebenen spricht, appelliert an die Hilfsbereitschaft. Wir können zwar nach einer neutraleren Formulierung suchen, aber wir treffen immer eine Entscheidung in die eine oder die andere Richtung. Sprache ist immer mit Assoziationen und Bildern verknüpft. Ohne die ist sie kraftlos und langweilig.

Wir sollten uns die Botschaften bewusst machen, die die öffentliche Sprache transportiert. Dann verrät die Sprache die wahren Motive. Wer 12 Jahre Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Geschichte“ bezeichnet, sagt in Wirklichkeit, dass es ihm scheißegal ist, was in der Zeit passiert ist. Das hat die Basis der AFD als versteckte Botschaft nur zu gut verstanden. Sprache kann tödlich sein.

Sprache als Denkblockade

Das Wort „Lernen“ löst Assoziationen von Schule, Uni, Tafeln, Whiteboards und Seminarräumen mit Power Point aus. Es ist eine fatale Assoziationskette, die Lernen mit Institutionen verknüpft, die Wissen weitergeben; denn dort kann man nur lernen, was jemand anderes schon weiß. Wir stellen uns Lernen als die standardisierte Verteilung von fertigem Wissen vor. Die Weitergabe von Wissen ist zwar notwendig, aber das ist der eher langweilige Aspekt des Lernens. Das Verteilen von Wissen kann man optimieren, wenn man die Kurse ins Internet stellt und es jedem selbst überlässt, wie und wann er sich die Inhalte aneignet. Das nennt sich dann irrtümlich „selbstgesteuertes Lernen“.

Fertige Lektionen im Internet – wie sie ja auch die Reporterfabrik bietet – sind eine hilfreiche Ergänzung des Lernens. Aber wir sollten aufhören, das Lernen gedanklich auf Situationen zu reduzieren, in denen jemand lehrt.

Zwei gegensätzliche Vorstellungen vom Lernen

Lernen ist für Menschen so selbstverständlich wie Atmen. Wir lernen permanent, denn wir nehmen ständig Informationen auf und ziehen Schlüsse daraus. Lernen ist ein individueller Prozess, denn wir können Neues nur auf dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen und Vorkenntnisse einordnen und bewerten. Alles Lernen hat das Ziel, neu auftauchende praktische Probleme zu lösen. Innovationen können nur entstehen, wenn wir neue Lösungen finden und altes Wissen mit neuen Ideen kombinieren.

An der Front der Entwicklung haben wir also einen völlig anderen Begriff vom Lernen. Hier sind Fantasie, Kreativität, Individualität und Nonkonformismus gefragt. Also das genaue Gegenteil von den standardisierten Lernzielen und Credit Points, die unser Bildungssystem favorisiert.

Am Anfang war das Wort

Und damit kommen wir wieder zur Sprache zurück. Was ich nicht benennen kann, kann ich nicht denken. Wer in alten Denk- und Sprachmustern bleibt, findet keine neuen Lösungen.

Deshalb ist sprachliche Präzision und Reflexion über den eigenen Standpunkt und die verwendeten Begriffe aus meiner Sicht so wichtig. Sonst landen wir immer wieder in den alten Denkmustern, ohne es zu merken. Das haben wir schon immer so gemacht. Das geht nicht. Das ist unmöglich. Das steht nicht in unseren Quartalszielen.

Und was wäre, wenn wir einfach mal selbst weiter denken? Einfach so, weil es Spaß macht!

L&D hat seinen Job gemacht, wenn es gelingt, diese explorative Form des Lernens im Unternehmen von der Leine zu lassen. Zulassen statt planen. Planwirtschaft ist out.

Foto Charlotte Venema