Virtual Reality ist keine „Bildungsrevolution“

In den letzten 100 Jahren gab es bei jeder technischen Neuerung mindestens einen Propheten, der eine grundlegende Revolution „der Bildung“ ausgerufen hat. Radio, Film und Computer sollten die Art, wie wir lernen, grundlegend verändern. Tatsächlich verändert wurde aber nur die Reichweite und Geschwindigkeit, mit der wir auf Informationen zugreifen. Denn in diesen Prophezeiungen steckt ein grundlegendes Missverständnis. Wir lernen immer noch so, wie wir vor 1.000 Jahren oder in der Steinzeit gelernt haben. Lernen findet zwischen zwei Ohren statt, ausschließlich. Nur die Mittel und Methoden, wie wir unserem Gehirn Lernmöglichkeiten anbieten, haben sich verändert. Unsere individuelle, menschliche Hard- und Software, mit der wir lernen und Lernen lernen, ist immer noch dieselbe.

Deshalb wird auch die „Virtual Reality“ keine Bildungsrevolution auslösen, sondern nur die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen, erweitern und verdichten. Ich muss keine Reiseberichte lesen und Fotos und Filme ansehen, um zu wissen, wie es derzeit in Bagdad aussieht. Der subjektive Eindruck lässt sich schneller mit einer Aufnahme in 360 Grad-Technologie und einer Brille vermitteln. Trotzdem ist die virtuelle Realität nicht die Realität, was in diesem Beispiel ausgesprochen positiv ist. Wie bei jeder Wiedergabe ist das Abbild nicht die „Wahrheit“, sondern hat Elemente der Selektion. Viele Probleme der Informationsvermittlung bleiben uns also erhalten, auch wenn sie neu gewichtet werden.

Deshalb sollte man sich mit dem Thema „Virtual Reality“ beschäftigen, ohne die nächste Bildungsrevolution auszurufen.

Zitat: „Virtual reality is, once again, being heralded as a technology poised to transform education.“ Sehr lesenswert. (Marketing) Virtual Reality in Education: A History

(Dieser Text wurde zuerst auf der Webseite der Corporate Learning Alliance veröffentlicht.)

Charlotte B. Venema

Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, HESSENMETALL, Corporate Learning Alliance