CLP059: Bericht vom Community Camp #CCB18

Das CCB18 aus meiner Teilgebenden-Sicht

Ich konnte mal wieder dabei sein, beim 11. CommunityCamp am 27./28.10.2018 in Berlin. Die Community-Management-Profis aus vielen Unternehmen tauschen sich hier intensiv und sehr offen über Erfolge und Misserfolge bei Pflege und Weiterentwicklung ihrer Communities aus. Für mich eine höchst spannende und lehrreiche Veranstaltung. Es geht immer um Menschen, die in den jeweiligen Communities zum aktiven Beitragen angeregt werden. Das ist eigentlich eine typische Führungsaufgabe. Nur haben Community-Manager fast keine Sanktionsmöglichkeiten, weil ja Community-Mitglieder freiwillig dabei sind. “Führung” geht hier nur durch positive Verstärkung. Ich habe deshalb große Hochachtung vor diesen Community-Managern!

Das CCB18 ist ein BarCamp mit allen Regeln, die sonst in virtuellen Communities gelten. Sehr passend für diese Zielgruppe. Gefühlt twittern hier alle, auch das passt. Die Stimmung der 250 Teilgebenden ist richtig gut, Klassentreffen-Atmosphäre könnte man sagen. Die 53 Sessions (33 und 20) an den beiden Tagen, bezeugen auch das hohe Austausch-Bedürfnis der Teilgebenden. Trotzdem scheint es mir das BarCamp zu sein, bei dem vorher und nachher am wenigsten Community-Aktivität zu bemerken ist. Es gibt keine vorher angekündigten Sessions, Vorab-Diskussionen finden in sozialen Medien praktisch nicht statt, eine gemeinsame Session-Dokumentation ist gar nicht vorgesehen, und die Diskussion ist mit dem Camp sofort beendet. Hmm, bei einem Community-Event der Community-Manager könnte ich mir mehr Community-Aktivität vorstellen. Aber der Schuster hat ja bekanntlich auch die schlechtesten Schuhe. Das Positive daran: Offenbar braucht es das alles wohl auch gar nicht. Der Austausch funktioniert auch so – an den 2 Tagen.

Von den 53 Sessions konnte ich naturgemäß nur wenige erleben. Einige will ich hier kurz zusammenfassen.

 

Arbeiten ohne Chef” oder “Wir schaffen unsere Führungskräfte ab”

lautete die Vorstellung der Session von Ingo Sauer @scytto von DB Systel. Sehr anschaulich und nachvollziehbar hat Ingo den Prozess beschrieben, den die Leitung des IT-Dienstleisters der Deutschen Bahn mit allen Mitarbeitern angestoßen hat. Das Ziel ist die selbstorganisierte Organisation ohne klassische Führungskräfte. Vorbild sind Scrum-Teams. Scrum-Master heißen hier Agility-Manager, die rechtlich als Führungskräfte nach dem Betriebsverfassungsgesetz geführt werden.

Das ist ein Ergebnis, von einer der acht großen “Initiativen”, denen sich Mitarbeiter zum Ausarbeiten mit 50% ihrer Arbeitszeit zugeordnet haben. Die gesamte Veränderung wird aus den eigenen Reihen gestaltet. Nur ganz vereinzelt werden auch mal Externe hinzugezogen.

Bisherige Führungskräfte hatten insgesamt 110 Führungsaufgaben zu erledigen. Die wurden jetzt auf 3 Rollen verteilt. Das “Umsetzungsteam” (eine Rolle) hat davon 40 bekommen, der “Product-Owner” 27, und der “Agility Manager” 43 dieser Führungs-Aufgaben.

Die Agility-Manager werden vom jeweiligen “Umsetzungsteam” gewählt. Die Product Owner müssen von der Geschäftsleitung bestätigt werden. Und jedes “Umsetzungsteam” entscheidet sich selber für die Methode nach der es am besten arbeiten kann. Dafür gibt es keine Vorgaben.

Die Transformation in diese neue Arbeitswelt braucht Zeit und hat deshalb 3 Phasen: Information, Lernen, Ausprobieren. 277 Teams (etwa 1400 Mitarbeiter) sind derzeit im Umstellungsprozess, der im Durchschnitt ein Jahr dauert.

Nach der Transformation erhält jeder Mitarbeiter bei DB Systel einen neuen Arbeitsvertrag, von bisher angeleiteter Arbeit, zu jetzt selbstgesteuerter Arbeit. Und die Aufgabe der Führungskräfte bei DB Systel ist es, sich in den nächsten 2 bis 3 Jahren selbst abzuschaffen!

Die Transformation bei DB Systel ging von Mitarbeitern aus, und wird dort als ihre eigene Initiative erlebt. Das bedingt auch ein anderes Menschenbild, das den Mitarbeitern viel zutraut. Kunden geben aber glücklicherweise schon jetzt ein sehr gutes Feedback!

Einen interessanten Gedanken brachte Ingo dazu noch ein: In den Umsetzungsteams ist man als Experte allein. Bisher war man im Silo unter gleichen Kollegen. Deshalb ist jetzt internes Community-Management nötig, um den Austausch unter Kollegen anzuregen.

 

Chat-Bots

Eine Session von Ben Ellermann, @DonElmo.

Chatbots machen auch Sinn in Communities. “Chats sind ohnehin eine sehr effektive – und für Betreiber aufwandsarme – Form der Kundenkommunikation” sagt Ben Ellermann. Große Teile davon lassen sich mit Chatbots automatisieren. Chatbots sind sehr ähnlich den “Conversational User Interfaces”, die wir als Siri, Cortana oder Alexa kennen. Wir können mit ihnen in natürlicher Sprache sprechen.

Obwohl klassische Chats von Unternehmen noch kaum richtig realisiert sind, springen jetzt viele auf Chat-Bots. Sie meinen, das koste fast nichts. Dabei muss ein Bot eigentlich das ersetzen, was man vorher mit Menschen machte. Dazu braucht man aber die Chat-Erfahrung. Denn eine schlechter Chatbot ist schlimmer als gar kein Chatbot.

Chatbots müssen folgende Herausforderungen beherrschen:

  • Spracherkennung
  • Language Understanding
  • Dialog Management
  • Language Generation
  • Sprachsynthese

und das alles auf einem userfreundlichen Front-End. Dazu kommt: Es muss schnell gehen, damit ein Dialog möglich wird: Bots brauchen beim Dialog-Management den Echtzeit-Zugriff auf Datenbanken mit den Unternehmensinformationen.

Die Planung von Chat-Bots erfordert auch die Übergabemöglichkeit an menschliche Experten, wenn der Bot nicht mehr weiterkommt. Der muss dann schnell auf den Info-Stand des Gesprächs mit dem Bot kommen.

(Interview mit Ben Ellermann im Podcast.)

 

Podcast als Marketing-Kanal

Session von Anika Bors von Podcastwonder.

Podcasts geben mit der Stimme des Experten sehr viel mehr Informationen, als jeder Text. Betonung und Sprechpausen gehören zu den authentischen Informationen. Und die ganze Persönlichkeit wird damit transportiert. Das ist gut fürs Marketing und die Kundenbindung.

Auf die Befürchtung, dass es ja schon so viele Podcasts gibt, antwortet Anika: Es gibt auch viele Blogs, und trotzdem macht es Sinn einen interessanten neuen aufzumachen.

Das Registrieren des eigenen Podcasts auf Spotify ist deshalb empfehlenswert, weil man dort ähnliche Podcasts angezeigt bekommt. Das bedeutet umgekehrt, dass bei anderen auch auf den eigenen Podcast hingewiesen wird.

(Interview mit Anika Bors im Podcast)

 

Community Canvas

Session von Tanja Laub, @TanjaOnTour 1. Vorsitzende des BVCM.

Der Community Canvas ist ein Rahmen zum Aufbau und zur Pflege von Communities, den Tanja Laub in ihrer Session schön dargestellt hat. Interessant finde ich die Aufteilung in 3 Hauptbereiche, nach Wichtigkeit sortiert:

  • Community-Identität
  • Mitglieder-Erfahrungen
  • Community-Struktur

Darunter gibt es 17 Felder, die die gesamte Community beschreiben.

Community-Identität:

  • Welchen Zweck verfolgt die Community intern und extern? Wofür steht die Community?
  • Für wen ist die Community attraktiv? Wer gehört dazu?
  • Wer sind die Super-User? Wie werden die unterstützt?
  • Welche Werte hat die Community? Wie helfen die Werte, die Ziele zu unterstützen?
  • Wie definiert die Community Erfolg? Wann ist die Community erfolgreich?
  • Ist die Community selbst eine Marke? Gibt es evt. eine Community-Sprache?

Mitglieder-Erfahrungen:

  • Wie gehen wir mit dem On-Boarding um? Wie mit ausscheidenden Mitgliedern?
  • Gibt es Rituale und Traditionen in der Community?
  • Was erinnert die Mitglieder daran: Deshalb bist Du hier?
  • Gibt es veröffentlichte Teilnahmeregeln, auf die man sich berufen kann, wenn es mal ernst wird?
  • Gibt es Rollenkonzepte in der Community?
  • Wie findet der Wissenstransfer statt, wenn ein neuer Super-User oder Community-Manager kommt?

Community-Struktur:

  • Wie ist die Community organisiert?
  • Wer wird bezahlt? Wer arbeitet ehrenamtlich?
  • Was muss mindestens gewährleistet sein, damit die Community überlebt?
  • Welche Rechtsform hat die Community?
  • Wie können Mitglieder sich untereinander finden?
  • Wie gehen wir mit den von den Mitgliedern erstellten Inhalten um?

Hier die ausführliche Darstellung des Community Canvas im Blog von Taja Laub.

(Interview mit Tanja Laub im Podcast)

 

Online-Kurse in Facebook-Gruppen

Session von Insa Künkel @textinsicht.

Erstmals hat Insa Künkel einen Online-Kurs gegeben, und den auch noch über die Plattform Facebook. Ihre Erfahrung mit Facebook als Kurs-Plattform mit 120 Teilnehmenden hat sie in der Session geteilt. Mir war bis dahin gar nicht bewusst, dass Facebook auch für Online-Kurse vorbereitet ist.

Wie bei allen Online-Kursen, gab es auch hier Teilnehmer mit Technik-Problemen, z.B. WLAN-Abbrüche, aber das hat nichts mit Facebook zu tun. Der Kurs hat in einer geschlossenen Facebook-Gruppe stattgefunden. Dort muss man „Social Learning“ wählen, dann lassen sich dort „Lektionen“ einstellen.

Die wichtigsten Learnings von Insa:

  • Den Teilnehmern von vornherein klar mitteilen, dass der Kurs in einer geschlossenen Facebook-Gruppe stattfindet
  • Auf der Gruppen-Start-Seite schon die „Lektionen“ darstellen und einen klaren „Call to Action“ dort platzieren
  • Nie von Modulen sprechen, sondern den voreingestellten Facebook-Begriff „Lektionen“ verwenden
  • Ein Willkommens-Video für die Teilnehmer erstellen mit Zielen, Ablauf, Handhabung. Möglichst kurz (3 Min).
  • Videos immer mit der Angabe der Dauer ankündigen!
  • Die Teilnehmer schon zu Beginn darauf hinweisen, dass man sich die Häufigkeit der Benachrichtigungen aus der Facebook-Gruppe selbst einstellen muss
  • Der Kursleiter kann in Facebook einstellen, dass Teilnehmer die Lektionen nur nacheinander bearbeiten können
  • Für alle bereitgestellten Dokumente gilt: Nur selbsterklärende Dateinamen verwenden

(Interview mit Insa Künkel im Podcast)

 

Foren-Gesundheit

Session von Bianca Oertel, @schnieselwiesel von Motor Talk, Europas größter Community. Es geht in der Community ausschließlich um Themen rund ums Auto. Motor Talk hat derzeit 507 moderierte Foren, plus Blogs plus News, und gehört heute zu Ebay. Insgesamt gibt es 48 Moderatoren, die User und Inhalte moderieren dürfen, und 110 Forenpaten, die nur Inhalte moderieren können.

Jede Community stirbt auch mal. Communities haben also auch einen Lebenszyklus. Gesunde Foren sind aufwandsarm, aber kranke Foren binden viel Moderatoren-Kapazität. Für Motor Talk ist es deshalb interessant zu erkennen, wenn ein Forum „krank“ wird. Dann kann man entweder bei der Gesundung helfen, oder das Forum schließen.

Mit einem Analyse-Werkzeug kann Motor Talk alle Foren beobachten und den Gesundheitszustand farblich kennzeichnen. Ungesund ist es z.B. wenn immer die gleichen User antworten, wenn es oft nur eine Antwort gibt, oder wenn die Beiträge immer allgemeiner werden. Es scheint ganz selten zu sein, dass ein Nutzer auf eine Frage eine richtige Antwort gibt. Oft ergeben erst die vielen Antworten zusammen die richtige Antwort. Und wenn ganz viele nur mitlesen, ist das meist sog. „Popcorn-Inhalt“, der nicht wirklich relevant ist, sagt Bianca. Erst wenn viele aktiv schreiben, spricht das für ein gesundes Forum.

Die Moderatoren und Forenpaten bekommen mit dem Analyse-Tool auch Tipps für hilfreiche Interventionen zur Genesung des Forums. Und wenn das nicht hilft, dann entscheiden die auch über die Schließung des Forums. Motor Talk will damit die Qualität der Foren hochhalten, weil nur das die vielen User anzieht. Wenn aber ein Forum schließt, müssen die Inhalte aber weiterhin sichtbar bleiben. Schließlich haben sich Community-Mitglieder ja viel Mühe gegeben ihre Beiträge zu schreiben. Die kann man ja nicht einfach löschen, sagt Bianca.

(Interview mit Bianca Oertel im Podcast)

 

Dies ist ein Podcast-Experiment

Dieser Podcast ist ein Versuch: So wie ich einen Blogpost schreibe, müsste doch auch ein Podcast zum Hören entstehen können. Der könnte dann auch mit Original-Tönen ergänzt werden. Das hab ich hiermit mal ausprobiert.

Die Blog-Texte hier basieren übrigens ausschließlich auf meinen Mitschriften, die ich als Tweets beim CCB18 geschrieben habe. Auch das wollte ich mal testen.

Session-Ergebnisse und Interviews zu folgenden Sessions im Podcast:

00:00 Intro zum CCB19 von Karlheinz Pape
03:58 Zusammenfassung Session von Ingo Sauer „Arbeiten ohne Chef“
05:36 Zusammenfassung Session von Ben Ellermann „Chatbots“
07:46 Interview mit Ben Ellermann
11:02 Zusammenfassung Session von Anika Bors „Podcasts fürs Marketing“
11:59 Interview mit Anika Bors
13:41 Zusammenfassung Session von Tanja Laub „Community Canvas“
16:20 Interview mit Tanja Laub
18:55 Zusammenfassung Session von Insa Künkel „Online Kurse über Facebook“
21:02 Interview mit Insa Künkel
26:11 Zusammenfassung Session von Bianca Oertel „Forengesundheit“
28:31 Interview mit Bianca Oertel
31:48 Outro von Karlheinz Pape