Kann man Kompetenzen lehren?

 

Kann man Kompetenzen lehren? Die Antwort ist ein klares Nein – wenn man den Vorstellungen einer Wissensweitergabe verhaftet ist und glaubt, durch Unterricht, Seminare oder Bildungsveranstaltungen Kompetenzen in die Köpfe trichtern zu können. Aber – man kann viel für die Kompetenzentwicklung tun, sie ermöglichen, fördern, antreiben, verstetigen, wenn man sich vor Augen führt, was Wissensweitergabe und Kompetenzentwicklung fundamental unterscheiden. Wir müssen dafür die pädagogischen Strukturen und Prozesse schaffen, die unseres Erachtens für eine veränderte, kompetenzorientierte Lernkultur notwendig sind.

Kompetenzentwicklung lässt sich kaum verhindern. In der Arbeit, beim Spiel, beim Sport, in der Familie, im Verein, sogar in Schule, Beruf Universität erwerben wir – „handelnd“ – Kompetenzen. Unumstritten ist, dass die zentralen Orte der Kompetenzentwicklung heute Tätigkeitsfelder im sozialen Umfeld, in Familie, Verein, Ehrenamt usw. , aber insbesondere auch die Arbeitswelt und zunehmend das Netz, sind. Kompetenzen werden in vielen informellen Situationen gleichsam „nebenher“, angeeignet.

„Handeln kann man nur handelnd erlernen!“[1] Was bedeutet diese Erkenntnis von Diethelm Wahl für den Aufbau von Kompetenzen?

Wir müssen die Antwort auf die Frage, wo der wichtigste Lernort ist, vom Kopf auf die Füße stellen. Lernen findet dort statt, wo Herausforderungen zu lösen sind. Die schweizer Mediendidaktiker Christoph Maier und Sabine Seufert überschreiben diese Entwicklung am Beispiel der beruflichen Bildung mit

„Arbeiten ist Lernen und Lernen ist Arbeiten“.

Lernen und Handeln fließen zusammen, der Arbeits-, der Handlungsprozess selbst wird zum wichtigsten Lernort.[2] Das Soziale Lernen im Netz gewinnt dabei eine zunehmende Bedeutung.

Es ist eigentlich ganz einfach. Um Kompetenzentwicklung, egal auf welcher Altersstufe, anzuregen und zu fördern, benötigt man Lernumgebungen, die motiviertes, anwendungsnahes Lernen beim Bearbeiten von realen Herausforderungen unterstützen.

Die Herausforderung in der Konzipierung kompetenzorientierter Lernsysteme besteht deshalb darin, den Lernern eine optimale Möglichkeit zu bieten, ihre Kompetenzen selbstorganisiert, in einem kommunikativen Prozess mit Lernpartnern (Netzwerk), aufzubauen. Dabei gehört es zum notwendigen Design eines Entwicklungsprozesses, dass verschiedene Formen des kollaborativen Lernens ermöglicht werden.

Die konzeptionelle Grundlage bildet die Ermöglichungsdidaktik. Das Ziel ist, selbstorganisierte Lernprozesse mit Lernpartnern, im Team und im Netz in Verbindung mit Coaching und Co-Coaching, dem kompetenzorientierten, kollaborativen Lernen mit Tandempartnern, zu initiieren. Dafür wird ein Arbeits- und Lernraum für die Zusammenarbeit, eine Soziale Lernplattform benötigt, in der die Lerner Problemlösungen allein, im Team und im Netz mit Unterstützung eines Lernbegleiters entwickeln und damit ihre Kompetenzen aufbauen. In Communities of Practice, wird das Erfahrungswissen ausgetauscht und gemeinsam weiter entwickelt.

Die betriebliche Lernkultur wird noch viele Jahre lang einen hybriden Charakter aufweisen, so dass die Lerner in den Unternehmen neben der tradierten Lernkultur immer mehr Elemente einer selbstorganisierten Lernkultur erfahren. Wer Kompetenzentwicklung im Netz konzipieren und einführen will sollte nach unseren Erfahrungen schrittweise vorgehen:

Erstens einen wirklich kompetenzorientierten Bildungsauftrag aus der Strategie des Unternehmens ableiten.

Zweitens strategische Gesichtspunkte und solche der Kompetenzentwicklung immer gleichberechtigt behandeln. Denn jeder zukünftige Wettbewerb, ob auf dem Markt oder in Ranking – Listen, ist auch ein Kompetenzwettbewerb.

Drittens bedarfsgerechte Kompetenzmodelle, Kompetenzprofile und Kompetenzmesssysteme immer zusammen mit den Fach- und Führungskräften erarbeiten und dabei die eigenen Lernprozesse als Bestandteil des gemeinsamen Veränderungsprozesses sehen, den man ja maßgeblich mit gestalten will.

Viertens gemeinsam mit dem Kompetenzmanagement-Team Lernrahmen entwickeln, die ein selbstorganisiertes, kollaboratives Lernen aller Mitarbeiter im Prozess der Arbeit möglich machen. Dabei Lern- und Arbeitsprozesse konsequent miteinander verknüpfen.

Fünftens allen Einbezogenen ermöglichen ihre Kompetenzziele auf Basis der Kompetenzprofile und -messungen in Abstimmung mit Führungskräften selbstorganisiert zu definieren.und ihre Lernprozesse im Prozess der Arbeit selbst zu planen und umzusetzen.


Sechstens E-Learning und Blended Learning Lösungen, Podcasts oder Lernvideos zum Aufbau des formellen Wissens sowie Wissensmanagement-Tools zur Entwicklung von Erfahrungswissen anbieten.

Siebtens das kollaborative Arbeiten und Lernen, eine Netzwerkbildung aller Beteiligten, durch geeignete Systeme und Initiativen fördern; dabei wird es sich meist, aber keineswegs ausschließlich, um digitale Netzwerke handeln.

Ein langfristiger Veränderungsprozess ist notwendig, der heute beginnen muss!

[1] Vgl. Wahl, D. (3 Aufl. 2013)

[2] vgl. Meier, C.; Seufert, S. (2012b), S. 20