IT oder L&D als Motor für die schnell lernende Organisation?

 

Im Magazin CIO wird der neue adidas CIO als innovativer Entwickler der ganzen Organisation dargestellt. Die IT-Abteilung ist ein interner Dienstleister, wie auch die L&D-Abteilung. Welche L&D-Abteilungen sehen sich eigentlich als innovative Organisations-Entwickler? Lassen wir uns das von anderen vormachen? Einige Aussagen des adidas CIO könnten genauso Zielbeschreibungen für L&D-Abteilungen sein.

Ich empfehle die Lektüre des gesamten Berichts über Michael Vögele aus der CIO vom 18.1.2017. Hier meine Gedanken zu einigen Passagen des Artikels:

L&D als „schnellstlernende“ Organisation

CIO: „Die IT soll zur schnellstlernenden IT-Organisation in der Industrie werden.
Wir haben Mitarbeiter, egal mit welcher Funktion und ob innerhalb oder außerhalb der IT, eingeladen, damit sie die IT-Strategie mit festlegen und an der IT-Execution mitarbeiten.“ Rund 100 Beschäftigte aus allen Organisationen arbeiten nun an Themen in neun von ihnen definierten sogenannten Playing Fields, …“

  • L&D soll zur schnellstlernenden Organisation in der Branche werden
    müsste doch erst recht unsere Überschrift lauten. Und auch das Festlegen unseres Lern-Dienstleistungsportfolios sollte ebenso mit Vielen aus der ganzen Organisation geschehen. Nicht die üblichen „Hierarchie-Auftraggeber“ bestimmen dann unsere Dienstleistungen, wir machen uns selbst ein Bild über notwendige Entwicklungsunterstützungen für Menschen in der Organisation in Bezug auf die Ziele der gesamten Organisation – auch wenn die Ziele in stark bewegten Zeiten nicht immer so klar sind.

CIO: An zwei Zielen wollen wir uns messen lassen: „Die IT soll zur schnellstlernenden IT-Organisation in der Industrie werden„, und zum „Partner erster Wahl für alle Kollegen und Abteilungen im Konzern werden.

  • Wer Lernen gestalten will, muss selbstverständlich den anderen in der Organisation voraus sein. L&D hat gar keine andere Chance, als selbst die schnellstlernende Abteilung im Unternehmen zu sein. Selbst ausprobiert haben, was an Tools, Netzwerken und zugänglichen Inhalten gut fürs Lernen ist, ist Voraussetzung, um die erste Wahl für Kollegen und Abteilungen im Unternehmen zu sein. Noch sehe ich erst ganz wenige L&D-Kollegen auf diesem Weg.

Wir machen uns zu wenige Sorgen

CIO: „Wir machen uns zu wenige Sorgen
Doch je schneller sich Business-Anforderungen und Technologien verändern, desto weniger lässt sich in die Zukunft blicken. Das führt zu Unsicherheiten, was auch Vögele weiß: „Diese Geschwindigkeit überfordert alle, das ist so. Wir machen uns eher zu wenige Sorgen über die Dinge, die draußen gerade passieren“, warnt der CIO. Veränderung bedeute immer Unsicherheit, und der müsse man mit klaren Zielen und Visionen begegnen: Was wollen wir, wo wollen wir hin?“

  • Neue Wege zum Lernen bewusst ausprobieren, Lernen in Netzwerken anregen, unterstützen, einfordern, selbstgesteuertes Lernen ganz selbstverständlich einplanen und anregen, Ermöglichungsrahmen für Lernen setzen, … Nicht alles nacheinander, mehrere Versuche gleichzeitig sind nötig, um schnell zu sein. Mutig durchhalten, nicht alles wird freudig angenommen werden. Wenn ganze Organisationen sich erneuern, muss L&D dies selbst sichtbar vormachen – auch wenn der Erfolg nicht selbstverständlich ist. Und wenn heute noch Wartelisten für bestehenden Lern-Dienstleistungen bestehen, ist das kein beruhigendes Zeichen für die Wichtigkeit unserer Rolle morgen.

Mitarbeiter ermutigen sich Freiräume zu nehmen

Bild: Pexels bei https://pixabay.com/de/

CIO: „Schulungen für Mitarbeiter werden massiv gefördert um die schnellstlernende IT-Organisation, ein Partner erster Wahl im Unternehmen und ein großer Kundenversteher zu werden, müssen sich auch bei Adidas die Mitarbeiterprofile ändern. Immer mehr Tätigkeiten wird Software übernehmen, …. in allen Fachbereichen. „Schulungen sind eine ganz wichtige Initiative bei uns“, sagt Vögele. Hier lernen die Teilnehmer zum Beispiel, wie sie Aufgaben und Probleme selbst lösen können, ohne auf ein „Go“ von oben zu warten.“

  • Die L&D-Rolle wird hier schon ganz selbstverständlich von der IT übernommen. Bei adidas gehört das zur Lernkultur, in anderen Organisationen geschieht das, wenn L&D sich darum nicht genügend kümmert.
    Interessant ist das mutige Qualifizierungsziel: Mitarbeiter fit machen, selbst zu entscheiden, ohne Rücksicht auf hierarchische Prozesse. Diesen Auftrag bekommt man nicht von den Hierarchen. Den muss man sich mutig selber geben. Den Freiraum dafür bekommt man nur, wenn L&D selbst als vorbildlich vorangehend in der Organisation bekannt ist.

Wirkungen von Technologie aufs Business erklären

CIO: „CIO muss Folgen von Technologien fürs Business erklären
Um den Wandel voranzutreiben, lädt die Adidas-IT immer wieder interne und externe Experten in ihre Lounge ein. Dort finden Tech Talks und Future Talks etwa über Agilität oder auch über Veränderungen in der Organisation statt. Mitarbeiter aller Fachbereiche haben Zugang.“

  • L&D muss die Wirkungen von Technologien fürs Business erklären,
    und Mitarbeiter und Führungskräfte mit relevanten Systemen konfrontieren, sie ermutigen, ungewohnte Schritte auszuprobieren. L&D muss dafür zunächst selber Expertise haben, siehe „schnellstlernende Organisation“.
  • Einen Rahmen setzen, damit Lernen stattfinden kann. Nicht Inhalte aufbereiten und vermitteln. So macht die adidas-IT mit Tech- und Future-Talks vor, wie Entwicklung von Mitarbeitern unterstützt werden kann. Ohne Trainer, ohne Kursunterlagen, ohne Teilnahme-Bescheinigung, freiwillig und ohne Anmeldeprozess, für jeden Mitarbeiter zugänglich. Das ist ein Beispiel für eine Lern-Dienstleistung, die L&D anbieten könnte.

Lernen in Netzwerken fördern

CIO:Wir werden über Mehrwert-Netzwerke reden, in denen sich Partner, Hersteller, Zulieferer und Kunden treffen, und alle ziehen Nutzen daraus. Wenn die Zusammenarbeit vermehrt über Plattformen läuft, dann verliert auch die klassische Definition eines Mitarbeiters ihre Bedeutung. Mitarbeiter müssen in diesen neuen Prozessen und Organisationen nicht mehr unbedingt Teil des Unternehmens sein, sondern es kann sich ebenso um Popstars, Athleten, Designer, Technologieanbieter und Kunden handeln.“

  • Netzwerke sind immer auch Lern-Netzwerke. Die Wichtigkeit von Netzwerken innerhalb und außerhalb der Organisation steigt stetig. L&D als Kern und Treiber von Netzwerken – eine Rolle, die erst bei ganz wenigen in Ansätzen zu sehen ist. Auch hier gilt: Wenn nicht wir, dann übernehmen andere diese Rolle.

Lernende Organisation anführen

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CIO: „CIO Vögele blickt angriffslustig in die Zukunft
Die technologischen Trends und Business-Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten, und ihre Geschwindigkeit nimmt stetig zu. Sorgen bereitet Vögele das nicht, er blickt eher angriffslustig in die Zukunft: „Wenn wir uns intensiv mit den schnellen Veränderungen durch die Digitalisierung auseinandersetzen, dann sind wir sehr gut vorbereitet.“ Die Technologien seien nun einmal disruptiv, und Kunden erwarteten Geschwindigkeit und Service wie von Google, Apple und Amazon. Die Digitalisierung zwinge deswegen zu Change- und Transformation-Management der Organisationen: „Wir haben gar keine andere Wahl.“

  • L&D freut sich, die fortlaufende Gestaltung der lernenden Organisation anzuführen – so müsste unser Motto lauten. Der Spruch allein genügt aber nicht. Das muss man uns abnehmen können. Dafür müssen wir das sichtbar Vorleben um andere überzeugen und mitreißen zu können. Man muss uns erleben, wie wir innerhalb und außerhalb der Organisation
    • selbst in relevanten Netzwerken aktiv agieren
    • unsere eigene Weiterentwicklung als stetigen Prozess betreiben
    • andere Lernumgebungen ausprobieren (Working Out Loud, BarCamps, Blogs, Twitter, ePortfolios, Wikis, MOOCs, Hackathons, VR/AR, …)
    • immer mehr unseren Zielgruppen zuhören, um passende Vorschläge zu finden, anstatt Wissen zu vermitteln
  • Wer, wenn nicht Learning & Development, ist prädestiniert für diese vorangehende Organisationsentwicklungsaufgabe? Eine wirklich große Herausforderung. Aber auch eine riesige Chance für ein ganz neues Selbstverständnis für viele Kolleginnen und Kollegen. Große Chancen führen immer auch große Risiken mit sich. Das Nicht-Wahrnehmen dieser Chance wird andere ermutigen, diese Entwicklungsrolle für die Organisation einzunehmen. Auch für uns gilt: „Wir haben gar keine andere Wahl“.

Die Anregung zu diesen Gedanken entstand beim Lesen dieses Artikels von Rolf Röwekamp aus der Zeitschrift CIO vom 18.1.2017. Einen herzlichen Dank an Rolf Röwekamp für diesen Beitrag!